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Psychoanalyse zwischen Ablehnung, Anpassung und Subversion
Über das Verhältnis von Psychoanalyse und Psychologie

von Daniel Sanin, 2006 (auch veröffentlicht in MALMOE, 35, S.22)

Man könnte sagen, dass es die Psychoanalyse noch nie leicht hatte: Freud wurde von seinen Mediziner-Kollegen nicht ernst genommen, er eroberte sich nicht „mir nichts, dir nichts“ einen Platz in der bürgerlichen Gesellschaft bzw. in der Medizin und die wissenschaftliche Disziplin Psychologie sah die neue Wissenschaft des Geistes mehr oder weniger als Konkurrenz und ergo Bedrohung. Die kontroversen Diskussionen um die Erkenntnisse der Psychoanalyse wurden im deutschsprachigen Raum schließlich erheblich durch den Nationalsozialismus beendet, der die meisten hellen und aufgeschlosseneren Köpfe in die Flucht trieb bzw. umbrachte.

Die Disziplin Psychologie, die sich in diesem Freiraum nachhaltig durchsetzen konnte war eine, die – an Aufträgen für die Wehrmacht und die deutsche Industrie geschult – auf Effizienzsteigerung, Leistung und Auslese ausgerichtet war. Sie hatte kein Interesse mehr daran, das „Innere“ des Menschen zu erforschen, seine Beweg- und Handlungsgründe, sondern betrachtete ihn als „Input-“ und „Output-Einheit“, denn das sind Variablen (berühmt das Begriffspaar „Reiz/Reaktion“), die sich „wissenschaftlich“ untersuchen und kontrollieren lassen. Für die meisten forschenden PsychologInnen war und ist Psychoanalyse somit nichts weiter als Dichtung und Spekulation, ohne jegliches wissenschaftliches Fundament.

Da dies die dominante Wissenschaftsideologie an den meisten Psychologieinstituten und Fakultäten ist, verwundert es wenig, dass es an diesen (und besonders im deutschen Sprachraum) nur relativ wenig Psychoanalyse in den Lehrplänen gibt und sowieso kaum PsychoanalystikerInnen auf Psychologie-Lehrstühlen. In Wien z.B. kommt die Psychoanalyse lediglich in einer zweiteiligen Vorlesung vor, die planmäßig im 1. Jahr absolviert wird.

Bis vor kurzem war die Psychoanalyse in Wien immer noch mit der Medizin verknüpft, was sich daran zeigte, dass das „Institut für Tiefenpsychologie und Psychoanalyse“ an der Medizinuniversität angesiedelt war (und ist). Mit der Gründung der „Sigmund Freud-Privatuniversität“ (SFU) ist es einer bestimmten Gruppe von AnalytikerInnen (mit Alfred Priz an der Spitze) gelungen, sich eine unabhängige institutionelle Basis zu schaffen. Die Tatsache, dass die SFU eine Institution ist, für welche – zumindest für österreichische Verhältnisse – relativ hohe Gebühren zu zahlen sind (an die 5000 € pro Semester), kann auch als Verweis auf die gesellschaftliche Position der Psychoanalyse gelesen werden, nämlich insofern, alsdass sie sich dadurch als zutiefst bürgerliche Wissenschaft zu erkennen gibt.

Obwohl die Psychoanalyse es in ihren Anfängen noch verstand, das Bürgertum zu verschrecken und manche „Entdeckungen“ in manchen Augen revolutionär anmuteten (Stichwort „Sexualität“), ist doch ziemlich klar, dass sie es nie schaffte, die bürgerliche Gesellschaft in ihren Grundfesten zu erschüttern und dies auch – bis auf wenige Ausnahmen – nie intendierte (und Freud schon gar nicht). Eine dieser Ausnahmen war Wilhelm Reich, der, als er es zu bunt trieb mit der Befreiung der Menschen, auch ganz konsequent aus der internationalen psychoanalytischen Vereinigung ausgeschlossen wurde.
Reich war einer der ersten der versuchte, die Freudsche Lehre mit marxistischem Gedankengut zu verbinden, was als eigene Denkrichtung den Begriff „Freudomarxismus“ angeheftet bekam. In den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts war es nach dem 2. Weltkrieg Herbert Marcuse, der sich dieser Tradition wieder annahm. Weitere Namen in diesem Zusammenhang sind z.B. Erich Fromm und dieser Folge kann auch die Frankfurter Schule mit Adorno und Horkheimer genannt werden (siehe die „Studien zum autoritären Charakter“).
Zur Analyse des Programms der Freudschen Lehre und ihrer Position in der Gesellschaft stellt sich die grundsätzliche Frage, was das ursprüngliche Ziel der Psychoanalyse war: War es die Befreiung des Subjekts aus Unterdrückungsverhältnissen (revolutionärer Aspekt)? War es die – in Anlehnung an Basaglia – „Befriedung“ des Subjekts in Unterdrückungsverhältnissen (repressiver Aspekt)? Oder war es ein Harmonisierungsversuch zwischen Individuum und Gesellschaft als antagonistischem Paar?

Freud hatte als Mediziner zunächst nur die „Heilung“ seiner „PatientInnen“ im Kopf. Es ging ihm darum, ihren Symptomen, und so hoffentlich auch ihrem Leiden, ein Ende zu setzen. Es ging ihm nicht um die Befreiung des Subjekts, zumindest nicht um die totale, obwohl er sehr wohl das Unterdrückungsmoment gesellschaftlicher Verhältnisse erkannte und viele Probleme seiner PatientInnen damit in Zusammenhang bringen konnte. Letztlich war er aber doch der Meinung, das Subjekt müsse, zum Wohle des sozialen Zusammenlebens, bis zu einem gewissen Punkt unterdrückt werden. Das „Unbewusste“, das sich im „Lustprinzip“ äußert, ist gefräßig und grenzenlos und verkörpert gewissermaßen das Diktum „homo homini lupus“, dass also der Mensch des Menschen Wolf sei und darum sei es für eine funktionierende Gesellschaft notwendig, dass diese Impulse eingegrenzt und somit also frustriert würden. Die „Triebe“ und Impulse können aber „sublimiert“ werden, d.h. umgewandelt, auf andere Bereiche angewandt, kanalisiert werden, was die Produktion von „Kultur“ bedingt und in dieser Konsequenz geradezu notwendig macht.

Dieses Menschenbild deckt sich nun nicht wirklich mit dem marxistischen, in dessen Ideologie der Mensch ja a priori ein soziales Wesen ist und erst in der kooperativen Aneignung seiner Lebensbedingungen zu sich selbst findet, zu seiner Bestimmung, zur vollen Entfaltung seines Wesens. Bis dieser Punkt nicht erreicht ist, befindet er sich im Zustand der Entfremdung.

Wenden wir uns nun wieder dem Verhältnis Psychoanalyse/Psychologie zu. Wie wir gesehen haben, erfuhr die Psychoanalyse seitens der traditionellen Psychologie keine Anerkennung wegen ihrer fehlenden Wissenschaftlichkeit, gemessen an den etablierten Standards. Aber auch aus dem Raum jenseits des Mainstreams begann sich Widerstand zu regen.

Die „Kritische Psychologie“ (mit großem „K“), die in den Kontexten der 68er StudentInnenbewegung zu entstehen begann und sich als genuin marxistische Psychologie verstand und versteht, hatte die Psychoanalyse bald im Visier. Die Kritikpunkte hatten im Großen und Ganzen zwei Stoßrichtungen: jene einer Funktionskritik und jene einer inhaltlichen Kritik.

Erstere zielte auf das Funktionieren der psychoanalytischen Begriffe und Konstrukte innerhalb des bürgerlich-kapitalistischen Systems ab und klagte den fehlenden Blick der Psychoanalyse auf „Gesellschaft“ an. Zweitere argumentierte, dass die Psychoanalyse , da sie von den falschen Prämissen ausgehe, zu verfälschten Ergebnissen gelange. Ein grundlegendes Projekt der Kritischen Psychologie war es nämlich, die gesamte Psychologie auf neue und unerschütterliche Füße zu stellen. Mittels eines „logisch-historischen“ Verfahrens wurde die Entwicklung des Psychischen nachvollzogen, „logisch-genetisch“ rekonstruiert, und ein neues Bild der menschlichen Psyche präsentiert (kondensiert in Klaus Holzkamps Werk „Grundlegung der Psychologie“ von 1983). Die Kritische Psychologie machte es sich zur Aufgabe, andere Ansätze, wie z.B. klassische Motivations- und Lerntheorien der Psychologie (wie z.B. den Behaviourismus) aber eben auch die Psychoanalyse abzuklopfen auf das, was taugte und das, was nicht taugte. In der Sprache der Kritischen Psychologie nannte sich das dann „Reinterpretation“, d.h. dass die Begriffe und Konstrukte „generalkorrigiert“ wurden.

Der Generaltenor der Begriffskritik könnte so zusammengefasst werden, dass die Freudschen Begriffe falsch sind bzw. Fehler enthalten, da ihr Schöpfer es nicht schaffte, in seinem System die bürgerliche Gesellschaft zu transzendieren. Bestimmte Erkenntnisse wenden sich somit in der Analyse gegen die Subjekte, um die bürgerlichen Verhältnisse und die eigene Position darin zu schützen (siehe z.B. Gerlinde Aumanns Buch „Kritik der Psychoanalyse“).

Die Kritische Psychologie hat inzwischen ihre institutionelle Basis leider weitgehend eingebüßt. Trotzdem besteht eine kleine Gruppe von ForscherInnen und StudentInnen fort und versucht, gewisse Bereiche am Laufen zu halten, z.B. die Zeitschrift „Forum Kritische Psychologie“ im Argument Verlag. Auf der anderen Seite erfreute sich gerade Klaus Holzkamps Monographie „Lernen – Subjektwissenschaftliche Grundlegung“ eines sicher teilweise unerwarteten Erfolges, gerade im erziehungswissenschaftlichen Bereich.

Für die Psychoanalyse ergibt sich jedoch das Bild, dass sie sowohl seitens der traditionellen Psychologie als auch seitens der marxistischen ausgegrenzt bzw. stark kritisiert wird. Es gibt natürlich andere Strömungen kritischer Psychologien, die sich sehr wohl psychoanalytischer Konstrukte bedienen und gut mit ihr harmonisieren bzw. diese auch weiterentwickelten, z.B. hermeneutische Ansätze, postmoderne oder feministische, um nur einige zu nennen.

Das grundlegende Problem der Psychoanalyse bleibt m.E. jedoch, dass sie das Wesen und Handeln des Individuums immer nur aus diesem selbst heraus erklärt, die verschiedenen Ursachen als in diesem liegend setzt. Sie vollzieht somit einen „Psychologismus“, also eine ideologisch bedingte Verzerrung einer Erklärung, die psychologische Gründe für was auch immer annimmt, anstatt andere.

Einer der großen Vorzüge der Psychoanalyse ist sicherlich ihr großer Erklärungsgehalt. Sie liefert eine ziemlich vollständige Theorie der menschlichen Psyche und deren „Störungen“ (etwas, worin sie der traditionellen Psychologie weit voraus ist) und schafft es, all das phantasmatische, symbolisch-bildhafte und vor- bzw. nicht-sprachliche des menschlichen Geistes und Seins in ihr Gebäude mit aufzunehmen. Hier sehe ich z.B. einen großen Schwachpunkt der Kritischen Psychologie: Sie hat kein Interesse für die Sprache der Phantasie, der Träume und des Bildhaften und bleibt dadurch manchmal derart knochentrocken, dass es nahezu unmöglich ist, bestimmte Texte (zumindest alleine) bis zum Ende zu lesen.

Jedoch sehe ich nicht darin den Grund für die unterschiedlichen Bekanntheitsgrade von Psychoanalyse und Kritischer Psychologie. Die Kritische Psychologie ist in ihrem Anspruch radikal auf der Seite des Subjekts und dessen Befreiung und Entwicklung verschrieben. Das macht sie ungeeignet für Kompromisse und nicht einsetzbar für schnelle Lösungen. Die Psychoanalyse hingegen ist flexibel einsetzbar, sei es nur in Teilen oder als ganze, sie ist in ihrem Wesen nicht im Konflikt mit der Gesellschaft in ihrer bürgerlich-kapitalistischen Ausprägung. Sie bietet Anpassung für jene, die Anpassung suchen, Kritik für jene, die Kritik suchen und sogar ein wenig Revolution für die, die besonders genau hinsehen. Insgesamt aber muss gesagt werden, dass sie sich relativ reibungslos in das Gesamtgefüge einordnet, das, was mit Adorno das „falsche Ganze“ bezeichnet werden kann.

 

 

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Impressum: Initiative kritische Psychologie Wien/Daniel Sanin