Wir können die
Handlung der letzten Folge der neuen Star-Wars-Trilogie
natürlich lediglich als die x-te Aufwärmung der "Gut
gegen Böse"-Suppe interpretieren, als ursprünglich
völlig simplen Plot, wie Andreas Hartmann in seinem
Artikel "Trau dem Jedi nicht" sagt (in Jungle
World 20, 18.5.2005): Das Böse will die Herrschaft nicht
nur über die Welt, sondern in diesem Fall sogar über
das ganze Universum; das Gute versucht, dagegen zu halten
und scheitert zwar vorläufig, aber nicht am Ende (siehe
Episode VI); dazwischen frönt George Lucas, der Ideator
und Ausführer der ganzen Saga, seiner Leidenschaft
"andauernd Kampfszenen aneinanderzureihen, die kaum
Sinn haben, aber Sinn haben sollen" (a.a.O., S.20).
Hartmann versucht auch, die Erzählung an die Realität rückzubinden,
aber mehr als Osama Bin Laden schaut da nicht heraus.
Das Gut gegen Böse-Schema ist zwar vorhanden, in der
Geschichte steckt aber mehr, wenn man bzw. frau es finden
will, wenn man bzw. frau sich einlässt auf die
Geschichte und ihre Charaktere bzw. im Besonderen den
gesamten Aufbau des Plots in den Blick nimmt. Ich denke,
dass man bzw. frau sich z.B. mit dem Versuch, in den
Filmfiguren aktuelle Personen zu sehen, etwas verschenkt.
Vielmehr sind sie nur Verkörperungen von Prinzipien.
Gerade deswegen konnte es Star Wars ja überhaupt erst
gelingen, zu so etwas wie einer Saga, zu einer
mythologischen Erzählung, zu werden: Das, was sich hier
abspielt, ist eine Geschichte mit abstrakten Figuren,
Personifizierungen von Elementen, die in "unserer"
"Kultur", sprich: der "westlichen
Zivilisation" zentrale Rollen inne haben. Nicht
umsonst siedelt Lucas das Ganze nicht in der Zukunft und
nicht auf der Erde, sondern "vor langer, langer Zeit
in einer weit entfernten Galaxis" an, also an einem
Ort jenseits unserer raumzeitlichen Erreichbarkeit, so
etwas wie der Olymp, Walhalla, Eden etc.
Kurz nochmals die Grundzüge der Geschichte: Die "Jedi"
dienen dem Guten, sie sind selbstlos, Hüter
demokratischer Prinzipien, Wächter und Unterstützer
politischer Entwicklungen; sie stehen im Einklang mit den
Dingen, mit der Natur, sie sind Teil davon; sie nützen
"die Macht", um Gutes zu tun. "Die Macht"
stellt sich als nichts anderes dar als eine Lebensenergie
(verkörpert durch die Midichlorianer), die allen und
allem innewohnt und alles mit allem verbindet. Ihnen
gegenüber stehen die "Sith", ihre Nemesis;
diese sind selbstsüchtig und machtgierig; sie sind nicht
Teil der Dinge, sondern stehen ihnen gegenüber, da sie
diese beherrschen wollen; auf Demokratie pfeifen sie, sie
streben Herrschaft und Kontrolle an; sie sind Kämpfer
gegen den Tod, wollen ihn überwinden.
Während nun die Sith versuchen, die Herrschaft über die
Galaxie zu erringen, versuchen die Jedi, genau das zu
verhindern. Der perfide Plan des Sith Lords Sidious (offiziell
auftretend Kanzler Palpatine, eine der mächtigsten
Figuren im galaktischen Senat) ist es, sich den viel
versprechendsten Adepten der Jedi, Anakin Skywalker, als
seinen neuen Schüler zu angeln und als Duo das
galaktische Imperium zu führen. Alle anderen Figuren (Count
Dooku, General Grievous, die Anführer der Separatisten,
von den AnhängerInnen der Gegenseite ganz zu schweigen)
werden für die Erreichung dieses Ziels manipuliert und
diesem geopfert.
Beide Gruppen nutzen jedoch dieselbe Macht, immer kommt
ihre Energie von den "Midichlorianern". Das
Schlechte, Böse liegt aber letztlich in den Personen
selbst; es ist zwar ständig von der "guten"
und der "dunklen Seite der Macht" die Rede,
aber eigentlich sind es die eigenen Emotionen, die eineN
zu der einen oder anderen Seite zugehörig machen: Angst,
Trauer, Wut, Zorn, Hass, Abhängigkeit etc. führen ins
„Dunkel“.
Diese Lager stehen sich diametral gegenüber, nehmen
unterschiedliche Positionen ein: Die Jedi haben eine eher
taoistische, buddhistische etc. Weltanschauung, während
die Sith zielgerichtet, planend, berechnend etc. sind,
einer Vernunft folgen, die auf Herrschaft gründet und
mit moralischen Prinzipien unvereinbar ist (wie
Horkheimer im Kapitel der "Dialektik der Aufklärung":
"Juliette oder Aufklärung und Moral" deutlich
macht, natürlich nicht i.b.a. die Sith, sondern auf
diese spezifische "Weltanschauung" bzw.
Subjektposition).
D.h. dass die Jedi ein Prinzip des Lebens verfolgen, in
welchem das Subjekt Teil der Welt ist, in ihr lebt,
Harmonie mit der Natur, den anderen Lebewesen etc.
anstrebt. Demgegenüber nehmen die Sith eine
Subjektposition ein, die der Welt gegenüber steht,
Harmonie als unwichtig erachtet, da es dieser Position um
Beherrschung, um Herrschaft geht. Wir finden hier die
problematisierte Konstellation der Adornoschen Aufklärungskritik:
Die Aufklärung hat das Moment der Reflexion auf sich
selbst verloren, das gehärtete Subjekt nimmt sich aus
dem Fluss der Dinge heraus, um ihrer Herr zu werden; es
kalkuliert listig, opfert Gefährten etc.; Odysseus wird
zum Prototyp des Homo oeconomicus, also des
kapitalistischen Subjekts.
Das, was für Hartmann scheinbar zu kompliziert ist, nämlich
das Prinzip des "wer Gutes tun will, kann damit auch
Schlechtes bewirken" ist gerade das Besondere der
Star Wars-Saga: Darth Vader ist nicht einfach nur böse,
gewissermaßen von Natur aus, sondern es wird vorgeführt,
warum er so wird, wir lernen seine Beweggründe kennen, nämlich:
die Unfähigkeit, den Tod zu akzeptieren. Anakin will
selber zum Bewahrer, vielleicht gar zum Gebärer von
Leben werden, denn wie erzählt uns Lord Sidious jene
Legende der Sith: es gab einmal einen Sith Lord, der
derart mächtig war, dass er die Midichlorianer dazu
bringen konnte, aus dem Nichts Leben zu erschaffen. Der
gebärende Mann. Dieser Vision wird alles untergeordnet,
dafür wird getötet und gemordet, was das Zeug hält,
auch vor Kindstötung (im Jedi-Tempel) wird nicht Halt
gemacht.
Die allgemeine Blindheit dieser Position, oder mit Adorno:
das Fehlen der Selbstreflexion, bedingt, dass im
Konkreten Anakin, als eine Personifizierung dieser
Subjektform, nicht erkennen kann, dass das Unheil, das er
fürchtet (er leidet unter Visionen vom bevorstehenden
Tod seiner Braut, Senatorin Amidala) und dessen Eintreten
er unter allen Umständen verhindern will, erst durch
seine Bemühungen Wirklichkeit wird. Letzten Endes bringt
er das um, das er retten will: Durch seinen Übertritt
zur "dunklen Seite", der nur deshalb geschieht,
damit Amidala eben nicht sterben muss, tötet er sie, da
sie ihm dorthin nicht folgen kann/will und er somit für
sie verloren ist, worüber sie derart verzweifelt, dass
sie sich dem Tode überlässt.
Dieses Projekt der Beherrschung will sich nicht dem
Prinzip des Lebens unterordnen, sondern dem Leben selbst
sein eigens Prinzip voranstellen; nicht mehr Sklave sein
der Regeln von geboren werden und Sterben, sondern sich
selbst zum Zentrum der Macht machen, die bestimmt, wer
stirbt und wer lebt. Dieses ist ein ideologisch-männliches
Projekt: der Mann ist Kultur, die Frau ist Natur; und die
Natur muss überwunden werden.
(Zudem: ein Schwert das leuchtet, wächst und auch noch
ziemlich mächtig ist, kann seine Wirkung auf Männer
nicht verfehlen.)
Dort, wo uns Lucas definitiv Sand in die Augen streut,
ist in der Rollenverteilung sowie im Ende der gesamten
Saga: Im Film stehen die Jedi für Demokratie, sie sind
jene, die an der Seite der etablierten Macht stehen und
nur vorübergehend abgedrängt werden; am Ende jedoch
wird das Gute siegen; die Sith andererseits sind extra
einfach als die Bösen identifizierbar und durch ihre
lieblose und selbstsüchtige Art ist ihr Schicksal von
Anfang an (letztlich von ihnen selbst) besiegelt. Das ist
Ideologie. Denn in unserer Realität siegen die Sith. Das
kapitalistische Subjekt hat alle Gesellschaften und
Subjektivitäten, die sich seiner Logik nicht unterordnen/anpassen
vernichtet oder marginalisiert. Das, was uns Lucas vorführt,
ist gleichzeitig Mythos und Utopie, präkapitalistische
Vergangenheit und postkapitalistische Zukunft. Das, was
verschwiegen wird ist, dass – zumindest vorläufig
– die "Sith" auf so ziemlich allen Linien
gewonnen haben. Möge die Macht mit uns sein ...